Die Moderatoren der Fachsession am Fachkongress IT-Beschaffung vom 12.9.2012 in Bern waren Marco Fetz BBL, Bruno Schafer BIT, Stephan Sutter ti&m, Jean-Pierre Wymann SIA und Reto Maduz SwissQ
Der Geschäftsmann 2.0 durfte bereits in agilen Softwareentwicklungsprojekten mitarbeiten. Die bisherigen Kunden waren Organisationen der öffentlichen Hand und die Verträge waren ausschliesslich mit Kostendach oder “Personalverleih”. Das Resultat bei den “Kostendachprojekten” kann man sich denken: Die Software wurde zwar erfolgreich implementiert, die Kosten waren aber bedeutend höher als geplant und konnten nur zum Teil gedeckt werden. Für den Geschäftsmann 2.0 waren das eine sehr lehrreiche Erfahrungen, einerseits was die Projektrolle des Scrum-Masters anbelangt und andererseits war er dankbar für die Erkenntnis, dass er Offertausschreibungen für agil geführte Softwareprojekte nicht mehr mitmacht, wenn es sich um ein Kostendach / Fixpreis handelt. Umso interessierter verfolgte er die Fachsession zu agiler SW-Beschaffung. Unten folgt die Zusammenfassung und die Replik des Geschäftsmannes ganz am Schluss dieses Blog-Posts.
Variante a.) Ausschreibung gemäss funktionaler Ausschreibung und Dialog
Hier scheint sich gemäss dem Referat die Möglichkeit zum Einsatz des neuen Ausschreibungsmodus namens Funktionale Ausschreibung & Dialog aufzudrängen. Da wird nach neuen Lösungen, Lösungswegen oder Vorgehensweisen gesucht. Es wurde ein Beispiel eines Projektes gezeigt, welches im Vorfeld mit einer “klassischen” WTO-Ausschreibung aufgrund der Komplexität gescheitert war. Danach wählte man das neue Verfahren mit folgenden Schritten:
- Feb Funktionale Ausschreibung (14 Einreicher)
- Apr Präqualifikation (3 Verbliebene) (Kriterium unter anderem auch Referenzen)
- Apr Dialogvereinbarung
- Mai Frage / Antowrtkat
- Mai/Juni 3 Dialogrunden (Vergütet mit 30K pro Partner)
- Juni Schlussofferte
- Juli Zuschlag (Kriterium Preis 20%)
Fazit: Dialog ist nur was für Profis (500% FTE), Erfolgsfaktoren: Internes Projektmangement durch Vergabestelle ist Muss (nicht BBL), Klare Regieanweisungen, Vergütung Offerten, klare Regelung der Urheberrechte.
- Zitate – LB: “Ich wähle nicht nur eine Lösung sondern einen Partner!”
- Zitate – LE: “Ich steige als Pilot in einen Jumbo aber ich weiss nicht wo ich lande, am Ende des Dialoges aber dann schon!”
Variante b.) Auswahl eines “Technologie-Partners” : Grundsätze der neuen Ausschreibung (Bruno Schafer)
Rahmen:
- Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben
- Flexibilität nach der Zuschlagserteilung
- Keine Bewertung von Personen
- Ergebnisorientierung beim Lieferanten
- Nach Ablauf der Ausschreibung Lieferantenwechsel möglich
Kriterien der Ausschreibung:
- Eignungskriterien (die üblichen)
- Zuschlagskriterien
- Unternehmensbezogene (Projvorgehenmodell, Weiterentwicklung der Ma, Managementsystem, Masterzertifizierung, sprich hat mind 1. Person so ein Zertifikat)
- Rolllenbezogene (Projekterfahrung / Zertifizierung)
- Arbeitsvolumen pro benötigter Hermes-Rolle mit 100% in den nächsten 5 Jahren (Wieviel Stunden braucht z.B der PL in den nächsten 5 Jahren, sprich wieviel schlägt der Offertsteller vor?)
Nach dem Zuschlag wurde ein Rahmenvertrag erstellt:
- Vereinbarung mit projektbezogenen Einzelverträgen
- Prozess der Leistungsvereinbarung ist geregelt (Wie kommt ein Einzelvertrag zu Standew und wie ist der Prozess dazu?)
- Es wurde ein QS-System aufgebaut/definiert: Ampeln, Doku, Preis- Leistungsverhältnis
- Wie wird das Projekt (vom Einzelvertrag) abgeschlossen und wie wird dies übergeben
Fazit: Mit dieser Ausschreibung ist man in der Lage nach dem Zuschlag flexible Aufträge (Einzelverträge) mit dem Technologie-Partner abzuschliessen! Beachte: Die Ausschreibung braucht Zeit, im konkreten Fall dauerte der ganze Ausschreibungsprozess 9 Monate (während der Ausschreibung ist man alles andere als agil)
In der anschliessenden Diskussion mit dem Plenum wurde von ca 95% der Anwesenden die Meinung abgegeben, dass Ausschreibungen Modus “Dialog” gut & möglich seien, beim “Konzept Wahl Technologie-Partner” waren es 90 %. Es wurden weitere Fragen gestellt, diese konnte der Geschäftsmann 2.0 aber nicht protokollieren. Anschliessend sollte in Diskussion mit Gruppen herauskristallisiert werden können was zu tun sei, damit die Softwarebeschaffung agiler gestaltet werden könnte. Dabei wurde z.B die Forderung abgegeben, dass ein “agiles Changemanagement” zu institutionalieren sei.
Replik des Geschäftsmannes:
Der Geschäftsmann beteillgte sich nicht an dieser Diskussion, er hörte einfach mal zu und notierte. Für den Geschäftsmann 2.0 ist die Sache aber ganz klar: Beide Konzepte – “Funktionale Beschaffung mit Dialog” wie auch die “Wahl des Technologiepartners” sind die ersten richtigen und wichtigen Schritte in die richtige Richtung bei der agilen, öffentlichen Beschaffung! Dies führt ja schlussendlich zur Möglichkeit, dass die öffentliche Hand Scrum-Teams für n-Sprints einkaufen kann, anstelle von fertigen Lösungen – oder es führt zum Einkauf der richtigen Lösung. Jetzt muss in der Verwaltung nur noch die “Kultur der Angst vor der Beschwerde” verschwinden. Es wird ebenfalls nötig sein, dass die Beschaffungskompetenz direkt beim Leistungsbezüger zunimmt und man nicht mehr durch irgendwelche “Beschaffungs-Technokraten” (fremd-) gesteuert wird! Und zu guter Letzt: Die Rolle der Rechtsdienste im Beschaffungsprozess wäre auch zu überdenken, wenn diese zuviel Gewicht bei der Gestaltung der Offertanfrage haben, dann kann die Gefahr bestehen, dass einerseits die beschaffende Stelle nicht das ausschreiben kann, was sie eigentlich haben will und andererseits werden die Lieferanten kaum Luft zum Atmen haben (nicht nur finanziell).
So Long, Euer Geschäftsmann 2.0,
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