Das Schweizer Wirtschaftsestablishment entdeckt langsam das Ausmass der digitalen Revolution und das Transformationspotential von Social Business, insbesondere der Sharing Economy. Leider geschieht dies nach alter Homo Oeconomicus Manier und dazu mit teilweise falschen Schlüssen.
Auf den UBER gekommen – Der ehemalige Starbanker Konrad Hummler hat sich mit der Bergsicht einen für die Öffentlichkeit kostenpflichtigen Thinktank zugelegt. Die Oktober 2014 Publikation, welche nicht gratis verfügbar ist (hier) trägt den Titel “Miete mich” und beleuchtet in 7 Kapiteln, auf 8 dicht beschriebenen A4 Seiten die aufziehende digitale Revolution, insbesondere die Sharing Economy mit Ihren Paradepferden AirBnB und UBER. Der Geschäftsmann 2.0 gibt eine Zusammenfassung und eine kritische Würdigung.
Zusammenfassung Bergsicht #9 – Miete mich! (13.10.2014)
Die “Freude am Verzicht” der Millenials: Nach der unersättlichen und hedonistischen Generation X dränge eine neue Bevölkerungsgruppe in die Wirtschaft und löse eine durch das Internet 2.0 induzierte Sharing Economy aus. Das Umwälzungspotential sei dabei eher von der Grösse eines Kontinents als das eines Eisbergs. Die Jungen besitzen das Privileg nicht, zu wissen, wie die Welt ohne Tablet und Clloud aussah. Sie können deswegen auch nicht eine Analogie zu den früheren Entwicklungslinien aufbauen, welche durch das Computing generell und den PC im besonderen ausgelöst worden sind. Die Mainframes konnte sich damals nur die Minderheit der grossen Firmen leisten und hatte somit wenig Impact. Die anschliessende PC-Revolution, welche dann die Geschäftsprozesse von allen Firmen effizienter ablaufen liess veränderte bereits mehr, aber die persönlichen Verhaltensweisen des Individuums waren davon wenig betroffen. Anders Heute: Das Internet, die Mobiltelefonie, sowie die inzwischen universell verfügbare und beinahe kostenlose Rechenpower führen zu einer Gesellschaft und zu einer Wirtschaft, welche nie schläft, immer erreichbar ist und anders tickt. Entscheidungsprozesse sind spontaner und das Geschäftsmodell an sich wurde massiv durch die Elimination von Intermediären entschlackt. Die Elimination der Transaktionskosten, die Internetverfügbarkeit von Knowhow zum Nulltarif und die direkte Verbindung zwischen Produzent und Unterlieferant wie auch zwischen Anbieter und Kunde liess die heute allgemein bekannten Plattformen wie UBER entstehen, egal in welchem Gebiet. Vordergründig haben diese Plattformen einen Anstrich der Uneigennützigkeit bzw der Gemeinnützigkeit. Doch die Plattformen des Web 2.0 greifen dabei frontal bestehende Geschäftsmodelle an, eliminieren Distributionskanäle und schaffen komplett neue Märkte. Das Holprinzip der Wirtschaft 1.0 wird durch das Bringprinzip des Internet 2.0 und des inzwischen mobilen PCs (Smartphone etc), ersetzt. Die Auswirkungen dieser Mechanismen und der neuen Spieler können exemplarisch am Niedergang der Medien oder auch anhand des Sterbens der Bankfilialennetze betrachtet werden. Es wird der Anfang einer neuen, ganz langen, grossen Geschichte geortet, könne doch nun jedes einzelne Individuum auf diesem Globus Leistungen anbieten, welche beizeiten zu einem lächerlichen/keinen Preis vom Benutzer/Verbraucher bezogen werden können. Und das wird nun in Weltwirtschaft spür- und erkennbar.
Die Millenials gehören genau gleich zur Gattung Homo oeconomicus Die Bergsicht fragt nun im Artikel, ob die Sharing Economy bzw. die Generation Y einen Sinneswandel herbeigeführt habe, welcher sich durch ein weniger ökonomisches Denken und Handeln auszeichnet. Die Autor kommt zum Schluss, dass dem nicht so sei und dass auch dieses Phänomen mit den klassischen ökonomischen Verhaltensmodellen erklärt und begründet werden könne. Die dem Homo Oeconomicus zugrundeliegende persönliche Nutzenmaximierung sei auch bei den Millenials vorhanden, einfach die Art des Nutzens, welcher maximiert werde, sei nicht nur ein monetärer. Es wird gefolgert, dass die Freimaurer an den Kathedralen von Wikipedia und Linux KEINE anderen Menschen seien als der Homo oeconomicus. Die Leute, welche auf UBER Ihre Taxidienste anbieten oder Ihre Wohnungen via AirBnB vermieten, seien sogar Vorzeigeexemplare des Homo oeconomicus, nämlich die ganz besonders geschäftsorientierten! Die neue Share Economy erlaube es heute einfach einer neuen Art von Mikrounternehmern, Ihr z.T. sehr geringes aber handfestes Kapital im Sinne eines Autos oder einer Wohnung effizient zum Einsatz zu bringen. Mikroökonomisch (im Einzefall) gesehen sei das einfach eine Nutzenallokation von Überkapazitäten bei privaten Gütern. In der Summe (makroökonomisch) sei es aber dann happig: AirBnB sei heute (Ende 2014) im Vergleich mit den Hotelketten bereits an fünfter Stelle mit einem geschätzten Wert von 10 Milliarden USD!
Die neue deflationäre Überkraft – Die alteingessenen Marktteilnehmer mobilisieren Ihre Lobby. Alle schreien nach Governance, Regulierung und (staatlicher) Kontrolle der neuen Plattformen. Als Gegenpol wird die “Peer-Review” als sehr potentes und alternatives Mittel der Selbstregulierung genannt, mit dem Verweis, dass hochregulierte Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft eigentlich nur dafür reguliert sind, damit es Neueinsteiger möglichst schwer haben. Hotels und Taxiunternehmen sind solche hoch regulierte Branchen. Trotzdem wird das Ihnen nichts nützen: Taxiunternehmen wird es schneller an den Kragen gehen als anderen transformierten Wirtschaftszweigen vorher. Und da die Übernachtungen bei AirBnB zwischen einem Viertel oder der Hälfte von normalen Übernachtungen kosten, haben diese einen enormen Preisvorteil. Ungeachtet dieser Vorreiter werden weitere Wirtschaftsbereiche von der Sharing Economy erfasst werden. Mit einem entsprechenden realen Angebotsschock. Und mit entsprechenden deflatorischen Konsequenzen. Ein lokales Beispiel ist Sharoo, wo man einen Mini für 60 CHF pro Tag mieten kann. Die Bergwelt geht davon aus, dass auch andere globale Branchen, wie das in der Schweiz stark verankerte Banking betroffen sein, werden, hier wird (plattformbasiertes) Peer-to-Peer Lending als Stichwort genannt. Es wird zwar von einem Wirtschaftswachstum ausgegangen, aber in einem deflationären Umfeld. Vom Gleichen geht der Artikel auch bei der Werbebranche in Bezug auf Google Adwords et al aus (Anm: Siehe Post vom Gmann hier) und gibt zu bedenken, dass ebensolche Plattformanbieter in Ihrer Branche eine Monopolstellung einnehmen werden (Anm: Das ist allgemein als Amazonification bekannt), ohne dass die sogenannten “Wettbewerbshüter” hier effizient eingreifen könnten. Der politische Druck auf die Plattformbetreiber – egal ob Share Economy Anbieter oder nicht – wird aber weiterhin zunehmen, siehe z.B die aktuellen Bemühungen der EU-Kommission bei der Wettbewerbsuntersuchung gegen Google und dessen Monopolstellung in Europa in Sachen Internetwerbung.
Fazit und Ausblick – “Internet 3.0” als gesellschaftspolitischer Prozess Es wird der Schluss gezogen, dass die Share Economy alles Andere als eine temporäre Spielerei sei und in der Wirtschaft disruptive Vorgänge zu erwarten sind. Es werden Geschäftsmodelle unter Druck geraten, welche bis anhin als unangreifbar galten. Der aktuellen Euphorie soll mit Skepsis begegnet werden, denn man weiss aktuell nicht, ob die bis heute NICHT profitablen Rocket’ s und Zalando’s irgendwelche Konkurrenten bekommen werden oder ob solchen Plattformen nachhaltige Monopolstellungen gelingen und diese dann mit Ihrem “Null-Grenzkosten” Geschäftsmodell nach der Weltherrschaft und nach unglaublichen Gewinnen greifen werden.
Weiter wird empfohlen, die Share Economy wirklich ernst zu nehmen, denn diese sei die Kulmination der Vorgänge der letzten 40 Jahre: Die unbeschränkte Rechen-Kapa, mobile Kommunikation und die Plattformen ermöglichen dem Individuum den Einsatz seines freien Kapitals im Markt. Nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Folgen und Erdrutsche werden die Folge sein. (Anm: Das hat der Gmann schon vor Jahren prophezeit, siehe hier und hier). Gleichzeitig werde dabei jedoch fundamentale Kritik laut, welche gesellschaftspolitische Relevanz habe: Der Autor zitiert irgendwelche (deutsche) Philosophen: “Man müsse Wege finden, um den Menschen vor dem zu schützen, was er will”, denn das heutige kapitalistische System unterstütze die sogenannte “Selbstausbeutung” des Einzelnen. Zu guter Letzt kommt die Konklusion, dass das kapitalistische Modell (Anm: Wettbewerb, Angebot, Nachfrage) bei den Sharing Economy Plattformen nicht funktioniert und dadurch werde das zweite Internetzeitalter in ein Internet 3.0 übergehen, welches von “Governance – Fragen “ beherrscht werden wird.
Kritische Würdigung des Artikels durch den Geschäftsmann 2.0
Allgemein Es ist ein sehr durchdachter Artikel, weitgehend gut bis sehr gut geschrieben, trotz der Fremdwörter im Text. Man merkt die Aussenbetrachtung eines Analytikers, welchem die Erfahrung der Anwendung der Share Economy oder gar als Player in der Share Economy fehlt. Trotzdem, der Geschäftsmann würde auch andere Artikel der Bergsicht lesen, leider ist das aber nur kostenpflichtig möglich. Für so etwas zahlt man heute nicht mehr. Der Artikel basiert jedoch auf einer komplett falschen Grunddisposition, nämlich der des Modells des Homo oeconomicus und dessen zu kurz greifenden basiskapitalistischen Mechanismen. Heute gilt der Homo conniunctus, manchmal auch Homo connectus genannt.
Richtig ist, dass der aktuell sichtbar werdende Prozess eine Verschiebung kontinentalen Ausmasses ist und nicht nur “ein Eisberg”. Richtig ist auch, dass der Konsument und der Anbieter, wie auch der Produzent und der (Zu-) Lieferant eine bedeutend direktere Verbindung haben und dass die Transaktionskosten in der Wirtschaft gegen Null tendieren. Korrekt ist ebenfalls, dass die Share Economy alles Andere als eine Spielerei ist. Genau gleich wie die sozialen Medien ist die Sharing Economy gekommen um zu bleiben. Es ist eindeutig ein Megatrend. Es ist ebenfalls richtig, dass die Sinnfrage in den letzten Jahren stark zugenommen hat, wie auch bei den meisten Jungen die Freizeit vor der Arbeit kommt. Sie haben es ja hautnah erlebt, wie Ihre arbeitssüchtigen Eltern der Baby Boomer- und Abzocker-Generation unsere Welt, die Wirtschaft und die Gesellschaft zugerichtet haben. Übrigens: Der Autor (wohl geboren als Baby Boomer) schimpft die Generation X als unersättlich und hedonistisch, die Attribute und Taten der eigenen Generation werden aber nirgends im Artikel reflektiert.
Falsch ist die Anwendung von klassischen oekonomischen Verhaltensmodellen auf die Millenials. Diese gelten heute einfach nicht mehr, insbesondere der Aspekts der Nutzenmaximierung des Individuums. Diese sogenannte Nutzenmaximierung des Homo oeconomicus ist ein Verhalten, welches sicher im Menschen bis zu einem gewissen Grad als Grundveranlagung vorhanden ist. Nur bis so etwas zu einem aktiven Verhalten wird, muss das zusätzlich gelernt, geschult, geübt und dann auch entsprechend belohnt werden. Wenn im heutigen Zeitalter solche “Nutzenmaximierungen” und Belohnungen unlautere, unmoralische, ausbeuterische oder gar illegale Grundlagen haben, dann kann dem heute – Dank des Internets – ein Riegel vorgeschoben werden. Denn das Internet ist nicht nur eine riesige Informationsmaschine, sondern es ist auch eine riesige Transparenzmaschine, welche die übermässige Maximierungen, egal welcher Couleur, offenlegt. Der Anreiz zur Nutzenmaximierung wird ergo bei den jüngeren Bevölkerungsschichten und den nachfolgenden Generationen durch das Web gedämpft. Somit haben die klassischen oekonomischen Verhaltensmodelle keine Gültigkeit mehr.
Die Marktteilnehmer der Share Economy als Vorzeigeexemplare des Homo Oeconomicus zu identifizieren ist zuweit her geholt und ist dahingehend ein gar ein fataler Fehler, weil man die neue Generation in bestehende und dazu noch in hinfällige Denkmuster versorgt. Klar gibt es Taxifahrer, welche nun noch mehr arbeiten, aber nicht alle. Weit nicht alle Hausbesitzer geben Ihre Liegenschaft wegen dem Geld zur Vermietung frei, das zusätzliche Einkommen ist ein willkommener Nebeneffekt, häufig geht es auch um eine Beziehung zu anderen Menschen, welche man dabei aufbaut. Obschon man hier von einer “sozialen Nutzenmaximierung” sprechen könnte, findet der Geschäftsmann das doch ein wenig übertrieben. Und nochmals: Die Behauptung, dass es Unsinn sei, dass die Marktteilnehmer der Share Economy nicht Homo oeconomici seien, kann so nicht akzeptiert werden. Das Handeln Marktteilnehmer der Share Economy, findet transparent im Internet statt, sie werden implizit dadurch gezwungen, bessere Menschen zu sein, sie werden gar dazu konditioniert!
Und drittens: Selbstlosigkeit und Nächstenliebe konnten die obigen Modelle sowieso noch nie erklären, wieso sollten diese dann richtig sein? Solche Sachen zählen schon seit einigen Jahren noch mehr, der Wertewandel ist auch entsprechend belegt.
Das Phänomen Share Economy im isolierten Kontext der Wirtschaft zu betrachten und erklären zu wollen, wie auch die Identifikation der aktuellen Umwälzungen als gesellschaftspolitischen Prozess ist zu eng gefasst. Das was hier abgeht, betrifft “Alles”, jede einzelne Facette unseres menschlichen Daseins auf diesem Planeten. Revolutions doesn’t happen when Society adapts new technologies, Revolution happens when Society adapts new behaviours!
Ein drittes Internetzeitalter, welches von Governance Fragen beherrscht werden wird wird es so nicht geben, bis zu diesem Zeitpunkt wird die EinsNuller Generation der Baby Boomer schon lange aus dem Wertschöpfungsprozess der Wirtschaft verschwunden sein und irgendwann mal werden sich die “Alten” auch aus der Politik verabschieden, siehe das langsame Verblassen von Christoph Blocher. Und: Internet 3.0 – Bitte aufhören, “etwas” heraufzuzählen. Die Revolution ist da und die hat schon lange mit Web 2.0 angefangen.
“Privileg” ohne Handy? – Konrad Hummler meint, die Älteren verfügen über das “Privileg” noch zu wissen, wie das ohne Smartphone und PC war. Naja, so eine Aussage löst bei den jüngeren Leuten eher Mitleid als Bewunderung aus. Der Geschäftsmann hat zu diesem Thema bereits Dutzende von Artikeln geschrieben 🙂
Der im Artikel erwähnte Quatsch vom Freiheitsverlust und der Selbstausbeutung durch Share Economy, Web 2.0 etc kann wirklich nicht ernst genommen werden: Die Jungen können da keinen Freiheitsverlust erkennen. Sie sehen eher Convenience, die Flexibilisierung Ihres Arbeitsortes und Ihrer Arbeitszeit. Von Ausbeutung kann man nur reden, wenn man irgendwelche Opfer identifiziert, die Millenials sehen sich auf jeden Fall eher als Opfer der Abzocker und der Heuschrecken der Gattung Homo Oeconomicus, so wie diese gehäuft in der Generation Ihrer Eltern, der Baby Boomer auftraten.
Fazit: Die Bergsicht, wie auch K. Hummler sind in den Schweizer Chefetagen meinungsbildend. Deswegen ist es umso fataler, wenn dort das sterbende Modell des Homo Oeconomicus nach wie vor zementiert wird und dadurch die Sicht auf die Millenials, deren Werte und Verhaltensweisen getrübt wird. Das wiederum erhöht wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass die im”Miete mich!” Artikel vorausgesagten Umwälzungen und Firmenkonkurse auch eintreten…
So Long und sorry für den langen Beitrag, Euer Geschäftsmann 2.0
PS: Apropos Thinktank – Diesen gibt es beim Geschäftsmann 2.0 gratis – Auch das ist Sharing Economy, vielleicht kann sich die Bergsicht davon eine Scheibe abschneiden und dieses abstruse Abonnementsmodell fallen lassen. Der Geschäftsmann empfiehlt: Teilen Sie gratis, freuen Sie sich an sehr vielen Lesern und machen Sie Ihr Geld neu mit AdWords sauteuren Liveauftritten, Büchern und Beratungsmandaten. Oder lesen Sie nicht tagtäglich gratis inside-paradeplatz?
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